∞Kaiserliche Pfalz.
∞Saal des
Thrones.
∞Staatsrath
in Erwartung des Kaisers.
∞Trompeten.
∞
Hofgesinde aller Art prächtig
gekleidet tritt vor.
∞
Der Kaiser gelangt auf den
Thron, zu seiner Rechten der Astrolog.
∞Kaiser.
4728Ich grüße die Getreuen, Lieben,
4729Versammelt aus der Näh’ und Weite; –
4730Den Weisen seh’ ich mir zur Seite,
4731Allein wo ist der Narr geblieben?
∞Junker.
4732Gleich hinter deiner Mantel-Schleppe
4733Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
4734Man trug hinweg das Fett-Gewicht,
4735Todt oder trunken? weiß man nicht.
∞Zweyter
Junker.
4736Sogleich mit wunderbarer Schnelle
4737Drängt sich ein andrer an die Stelle.
243
4738Gar köstlich ist er aufgeputzt,
4739Doch fratzenhaft daß jeder stutzt;
4740Die Wache hält ihm an der Schwelle
4741Kreuzweis die Hellebarden vor –
4742Da ist er doch der kühne Thor!
∞Mephistopheles
∞am Throne
knieend.
4743Was ist verwünscht und stets willkommen?
4744Was ist ersehnt und stets verjagt?
4745Was immerfort in Schutz genommen?
4746Was hart gescholten und verklagt?
4747Wen darfst du nicht herbeiberufen?
4748Wen höret jeder gern genannt?
4749Was naht sich deines Thrones Stufen?
4750Was hat sich selbst hinweggebannt?
∞Kaiser.
4751Für dießmal spare deine Worte!
4752Hier sind die Räthsel nicht am Orte,
4753Das ist die Sache dieser Herrn. –
4754Da löse du! das hört’ ich gern:
4755Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit in’s Weite;
4756Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
∞ Mephistopheles steigt
hinauf und stellt sich zur Linken.
∞Gemurmel der
Menge.
∞Kaiser.
4761Und also ihr Getreuen, Lieben,
4762Willkommen aus der Näh’ und Ferne,
4763Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne,
4764Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
4765Doch sagt warum in diesen Tagen,
4766Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
4767Schönbärte mummenschänzlich tragen
4768Und heitres nur genießen wollten,
4769Warum wir uns rathschlagend quälen sollten?
4770Doch weil ihr meint es ging nicht anders an,
4771Geschehen ist’s, so sey’s gethan.
∞Canzler.
4772Die höchste Tugend, wie ein Heiligen-Schein,
4773Umgibt des Kaisers Haupt, nur er allein
4774Vermag sie gültig auszuüben:
4775Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,
4776Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
4777Es liegt an ihm dem Volk es zu gewähren.
4778Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
4779Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
4780Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate wüthet,
4781Und Uebel sich in Uebeln überbrütet.
4782Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
4783In’s weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer
Traum,
4784Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet,
4785Das Ungesetz gesetzlich überwaltet,
4786Und eine Welt des Irrthums sich entfaltet.
4787Der raubt sich Heerden, der ein
Weib,
4788Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
4789Berühmt sich dessen manche Jahre
4790Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
4791Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
4792Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
4793Indessen wogt, in grimmigem Schwalle,
4794Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
4795Der darf auf Schand und Frevel pochen
4796Der auf Mitschuldigste sich stützt,
4797Und: Schuldig!
hörst du ausgesprochen
4798Wo Unschuld nur sich selber schützt.
4799So will sich alle Welt zerstückeln,
4800Vernichtigen was sich gebührt;
4801Wie soll sich da der Sinn entwickeln
4802Der einzig uns zum Rechten führt?
4803Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
4804Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,
4805Ein Richter der nicht strafen kann
4806Gesellt sich endlich zum Verbrecher.
4807Ich mahlte schwarz, doch dichtern Flor
4808Zög’ ich dem Bilde lieber vor.
∞Pause.
∞Heermeister.
4812Wie tobt’s in diesen wilden Tagen
4813Ein jeder schlägt und wird erschlagen
4814Und für’s Commando bleibt man taub.
246
4815Der Bürger hinter seinen Mauern,
4816Der Ritter auf dem Felsennest
4817Verschwuren sich uns auszudauern
4818Und halten ihre Kräfte fest.
4819Der Miethsoldat wird ungeduldig,
4820Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
4821Und wären wir ihm nichts mehr schuldig
4822Er liefe ganz und gar davon.
4823Verbiete wer was alle wollten,
4824Der hat in’s Wespennest gestört;
4825Das Reich das sie beschützen sollten,
4826Es liegt geplündert und verheert.
4827Man läßt ihr Toben wüthend hausen,
4828Schon ist die halbe Welt verthan;
4829Es sind noch Könige da draußen
4830Doch keiner denkt es ging ihn irgend an.
∞Schatzmeister.
4831Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
4832Subsidien die man uns versprochen,
4833Wie Röhrenwasser, bleiben aus.
4834Auch Herr, in deinen weiten Staaten
4835An wen ist der Besitz gerathen?
4836Wohin man kommt da hält ein Neuer Haus
4837Und unabhängig will er leben,
4838Zusehen muß man wie er’s treibt;
4839Wir haben so viel Rechte hingegeben,
4840Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
4841Auch auf Parteyen, wie sie heißen,
4842Ist heut zu Tage kein Verlaß;
4843Sie mögen schelten oder preisen,
4844Gleichgültig wurden Lieb und Haß,
247
4845Die Ghibellinen wie die Guelfen
4846Verbergen sich um auszuruhn;
4847Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
4848Ein jeder hat für sich zu thun.
4849Die Goldespforten sind verrammelt,
4850Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt
4851Und unsre Cassen bleiben leer.
∞Marschalk.
4852Welch Unheil muß auch ich erfahren;
4853Wir wollen alle Tage sparen
4854Und brauchen alle Tage mehr.
4855Und täglich wächs’t mir neue Pein,
4856Den Köchen thut kein Mangel wehe;
4857Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
4858Welschhühner, Hühner, Gäns’ und Enten
4859Die Deputate, sichre Renten,
4860Sie gehen noch so ziemlich ein.
4861Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
4862Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte,
4863Der besten Berg- und Jahresläufte,
4864So schlürft unendliches Gesäufte
4865Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
4866Der Stadtrath muß sein Lager auch verzapfen,
4867Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
4868Und unterm Tische liegt der Schmaus.
4869Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
4870Der Jude wird mich nicht verschonen
4871Der schafft Anticipationen,
4872Die speisen Jahr um Jahr voraus.
248
4873Die Schweine kommen nicht zu Fette,
4874Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
4875Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.
∞Kaiser
∞nach einigem
Nachdenken zu Mephistopheles.
4876Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Noth?
∞Mephistopheles.
4877Ich keineswegs. Den Glanz umher zu schauen,
4878Dich und die deinen! – Mangelte Vertrauen,
4879Wo Majestät unweigerlich gebeut,
4880Bereite Macht Feindseliges zerstreut,
4881Wo guter Wille, kräftig durch Verstand
4882Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand?
4883Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
4884Zur Finsterniß wo solche Sterne scheinen?
∞Gemurmel.
∞Mephistopheles.
4889Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
4890Dem dieß, dem das, hier aber fehlt das Geld.
4891Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
4892Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
4893In Bergesadern, Mauergründen
4894Ist Geld gemünzt und ungemünzt zu finden,
4895Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
4896Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft.
∞Canzler.
4897Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
4898Deßhalb verbrennt man Atheisten
4899Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
4900Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
4901Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
4902Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
4903Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
4904Sind zwey Geschlechter nur entstanden,
4905Sie stützen würdig seinen Thron:
4906Die Heiligen sind es und die Ritter;
4907Sie stehen jedem Ungewitter
4908Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.
4909Dem Pöbelsinn verworrener Geister
4910Entwickelt sich ein Widerstand,
4911Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
4912Und sie verderben Stadt und Land.
4913Die willst du nun mit frechen Scherzen
4914In diese hohen Kreise schwärzen,
4915Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
4916Dem Narren sind sie nah verwandt.
∞Mephistopheles.
4917Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
4918Was ihr nicht tastet steht euch meilenfern,
4919Was ihr nicht faßt das fehlt euch ganz und gar,
4920Was ihr nicht rechnet glaubt ihr sey nicht wahr,
4921Was ihr nicht wägt hat für euch kein Gewicht,
4922Was ihr nicht münzt das meint ihr gelte nicht.
∞Kaiser.
4923Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
4924Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
250
4925Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
4926Es fehlt an Geld, nun gut so schaff’ es denn.
∞Mephistopheles.
4927Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
4928Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
4929Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
4930Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
4931Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften
4932Wo Menschenfluthen Land und Volk ersäuften,
4933Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
4934Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.
4935So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
4936Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
4937Das alles liegt im Boden still begraben,
4938Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
∞Schatzmeister.
4939Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
4940Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
∞Canzler.
4941Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:
4942Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
∞Marschalk.
4943Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
4944Ich wollte gern ein bißchen Unrecht haben.
∞Heermeister.
4945Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt;
4946Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt.
∞Mephistopheles.
4947Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
4948Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen,
4949In Kreis’ um Kreise kennt er Stund und Haus;
4950So sage denn wie sieht’s am Himmel aus?
∞Gemurmel.
∞Astrolog
∞spricht, Mephistopheles
bläs’t ein.
4955Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold,
4956Mercur der Bote dient um Gunst und Sold,
4957Frau Venus hat’s euch allen angethan,
4958So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
4959Die keusche Luna launet grillenhaft,
4960Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
4961Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
4962Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.
4963Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
4964An Werth gering, doch im Gewichte schwer.
4965Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
4966Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt,
4967Das Uebrige ist alles zu erlangen,
4968Paläste, Gärten, Brüstlein, rothe Wangen,
4969Das alles schafft der hochgelahrte Mann
4970Der das vermag was unser keiner kann.
∞Gemurmel.
∞Mephistopheles.
4977Da stehen sie umher und staunen,
4978Vertrauen nicht dem hohen Fund,
4979Der eine faselt von Alraunen
4980Der andre von dem schwarzen Hund.
4981Was soll es daß der eine witzelt,
4982Ein andrer Zauberey verklagt,
4983Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt
4984Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
4985Ihr alle fühlt geheimes Wirken
4986Der ewig waltenden Natur,
4987Und aus den untersten Bezirken
4988Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.
4989Wenn es in allen Gliedern zwackt,
4990Wenn es unheimlich wird am Platz,
4991Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
4992Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
∞Gemurmel.
∞Kaiser.
4999Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
5000Erprobe deine Lügenschäume,
5001Und zeig’ uns gleich die edlen Räume.
5002Ich lege Schwert und Scepter nieder,
5003Und will mit eignen hohen Händen,
5004Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
5005Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
∞Mephistopheles.
5006Den Weg dahin wüßt’ allenfalls zu finden –
5007Doch kann ich nicht genug verkünden
5008Was überall besitzlos harrend liegt.
5009Der Bauer der die Furche pflügt
5010Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
5011Salpeter hofft er von der Leimenwand
5012Und findet golden-goldne Rolle
5013Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
5014Was für Gewölbe sind zu sprengen,
5015In welchen Klüften, welchen Gängen
5016Muß sich der Schatzbewußte drängen,
5017Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
5018In weiten, allverwahrten Kellern,
5019Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
5020Sieht er sich Reihen aufgestellt.
5021Pokale stehen aus Rubinen
5022Und will er deren sich bedienen
5023Daneben liegt uraltes Naß.
5024Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
5025Verfault ist längst das Holz der Dauben,
5026Der Weinstein schuf dem Wein ein Faß.
254
5027Essenzen solcher edlen Weine,
5028Gold und Juwelen nicht alleine
5029Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
5030Der Weise forscht hier unverdrossen;
5031Am Tag’ erkennen das sind Possen,
5032Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
∞Kaiser.
5033Die laß ich dir! Was will das Düstre frommen?
5034Hat etwas Werth, es muß zu Tage kommen.
5035Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
5036Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
5037Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
5038Zieh’ deinen Pflug, und ackre sie an’s Licht.
∞Mephistopheles.
5039Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,
5040Die Bauernarbeit macht dich groß,
5041Und eine Heerde goldner Kälber
5042Sie reißen sich vom Boden los.
5043Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
5044Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
5045Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
5046Die Schönheit wie die Majestät.
∞Astrolog
∞(wie oben).
5048Herr mäßige solch dringendes Begehren,
5049Laß erst vorbei das bunte Freudenspiel;
5050Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
5051Erst müssen wir in Fassung uns versühnen,
5052Das Untre durch das Obere verdienen.
255
5053Wer Gutes will der sey erst gut;
5054Wer Freude will besänftige sein Blut;
5055Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben,
5056Wer Wunder hofft der stärke seinen Glauben.
∞Kaiser.
5057So sey die Zeit in Fröhlichkeit verthan!
5058Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
5059Indessen feyern wir, auf jeden Fall,
5060Nur lustiger das wilde Carneval.
∞Trompeten, Exeunt.