∞(Innerer Burghof, umgeben von reichen phantastischen
Gebäuden des Mittelalters)
∞
Chorf:
9127Vorschnell und thöricht, ächt wahrhaftes Weibsgebild!
9128Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung,
9129Des Glücks und Unglücks, keins von beiden wißt ihr je
9130Zu bestehn mit Gleichmuth. Eine widerspricht ja stets
9131Der andern heftig, überquer die andern ihr;
9132In Freud und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Ton’s.
9133Nun schweigt! und wartet horchend was die Herrscherin
9134Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns.
∞Helena.
9135Wo bist du Pythonissa? heiße wie du magst,
9136Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg.
9137Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn
9138Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,
9139So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm;
9140Beschluß der Irrfahrt wünsch’ ich, Ruhe wünsch’ ich nur.
∞
Chorf:
9141Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her;
9142Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht
9143Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,
9144Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt.
9145Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth
9146Der wundersam aus vielen
einsgewordnen Burg,
9147Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.
9148Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits
9149In Gallerien, am Fenster, in Portalen rasch
9150Sich hin und her bewegend viele Dienerschaft;
9151Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es.
∞Chor
9152Auf geht mir das Herz! o, seht nur dahin
9153Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt
9154Jungholdeste Schaar anständig bewegt
9155Den geregleten Zug. Wie? auf wessen Befehl
9156Nur erscheinen gereiht und gebildet so früh,
9157Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?
9158Was bewundr’ ich zumeist! Ist es
zierlicher Gang,
9159
Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,
9160
Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirsiche roth
9161Und eben auch so weichwollig beflaumt?
9162Gern biß ich hinein, doch ich schaudre davor
9163Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund
9164Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche.
9165Aber die schönsten
9166Sie kommen daher;
9167Was tragen sie nur?
9168Stufen zum Thron,
9169Teppich und Sitz,
9170Umhang und zelt-
9171artigen Schmuck,
9172 Ueber überwallt er,
9173Wolkenkränze bildend,
9174Unsrer Königin Haupt
9175Denn schon bestieg sie
9176Eingeladen herrlichen Pfühl.
9177Tretet heran
9178Stufe für Stufe
9179Reihet euch ernst.
9180Würdig, o würdig, dreyfach würdig
9181Sey gesegnet ein solcher Empfang!
∞(alles vom Chor ausgesprochene geschieht nach und
nach)
∞
Faust (Nachdem Knaben und Knappen in langem Zug
herabgestiegen, erscheint er oben an der Treppe in ritterlicher Hofkleidung
des Mittelalters und kommt langsam würdig herunter)
∞
Chorf:
∞(ihn aufmerksam
beschauend)
9182Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter thun,
9183Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt,
9184Erhabnen Anstand, liebenswerthe Gegenwart
9185Vorübergänglich liehen; wird ihm jedesmal
9186Was er beginnt gelingen, sey’s in Männerschlacht,
9187So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Frau’n.
9188Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn,
9189Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah.
9190Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt
9191Seh ich den Fürsten; wende dich o Königin!
∞Faust
∞(herantretend, einen Gefesselten zur Seite)
9192Statt feyerlichsten Grußes, wie sich ziemte,
9193Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring ich dir
9194In Ketten hartgeschlossen solchen Knecht,
9195Der Pflicht verfehlend mir die Pflicht entwand.
9196Hier kniee nieder! dieser höchsten Frau
9197Bekenntniß abzulegen deiner Schuld.
9198Dieß ist, erhabne Herrscherin, der Mann
9199Mit seltnem Augenblitz vom hohen Thurm
9200Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum
9201Und Erdenbreite scharf zu überspähn,
9202Was etwa da und dort sich melden mag,
9203Vom Hügelkreis ins Thal zur festen Burg
9204Sich regen mag, der Heerden Woge sey’s,
9205Ein Heereszug vielleicht; wir schützen jene,
9206Begegnen diesem. Heute, welch’ Versäumniß!
9207Du kommst heran, er meldet’s nicht, verfehlt
9208Ist ehrenvoller schuldigster Empfang
9209So hohen Gastes. Freventlich verwirkt
9210Das Leben hat er, läge schon im Blut
9211Verdienten Todes; doch nur du allein
9212Bestrafst, begnadigst, wie dir’s wohl gefällt.
∞Helena.
9213So hohe Würde wie du sie vergönnst,
9214Als Richterin, als Herrscherin, und wär’s
9215Versuchend nur, wie ich vermuthen darf;
9216So üb’ ich nun des Richters erste Pflicht
9217Beschuldigte zu hören. Rede denn.
∞Thurmwärter, Lynceus.
9218Laß mich knieen, laß mich schauen,
9219Laß mich sterben, laß mich leben,
9220Denn schon bin ich hingegeben
9221Dieser gottgegebnen Frauen.
9222Harrend auf des Morgens Wonne,
9223 Oestlich spähend ihren Lauf,
9224Ging auf einmal mir die Sonne
9225Wunderbar im Süden auf.
9226Zog den Blick nach jener Seite,
9227Statt der Schluchten, statt der Höh’n
9228Statt der Erd- und Himmelsweite,
9229Sie die Einzige zu spähn.
9230Augenstrahl ist mir verliehen
9231Wie dem Luchs auf höchstem Baum,
9232Doch nun mußt’ ich mich bemühen
9233Wie aus tiefem düsterm Traum.
9234Wüßt’ ich irgend mich zu finden?
9235Zinne? Thurm? geschloßnes Thor?
9236Nebel schwanken, Nebel schwinden
9237Solche Göttin tritt hervor!
∞Helena.
9246Das Uebel das ich brachte darf ich nicht
9247Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick
9248Verfolgt mich, überall der Männer Busen
9249So zu bethören, daß sie weder sich
9250Noch sonst ein Würdiges verschonten. Raubend jetzt,
9251Verführend, fechtend, hin und her entrückend;
9252Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen,
9253Sie führten mich im Irren her und hin.
9254Einfach die Welt verwirrt ich, doppelt mehr,
9255Nun dreyfach, vierfach bring’ ich Noth auf Noth.
9256Entferne diesen Guten, laß ihn frei;
9257Den Gottbethörten treffe keine Schmach.
∞Faust.
9258Erstaunt o Königin, seh’ ich zugleich
9259Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;
9260Ich seh’ den Bogen, der den Pfeil
entsandt,
9261Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen
9262Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer
9263Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.
9264Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir
9265Rebellisch die Getreusten, meine Mauern
9266Unsicher. Also fürcht’ ich schon, mein Heer
9267Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.
9268Was bleibt mir übrig? als mich selbst und alles
9269Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben.
9270Zu deinen Füßen laß mich, frei und treu,
9271Dich Herrin anerkennen, die sogleich
9272Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.
∞Lynceus
∞(mit einer Kiste und Männer die ihm andere
nachtragen)
9273Du siehst mich, Königin, zurück!
9274Der Reiche bettelt einen Blick,
9275Er sieht dich an und fühlt sogleich
9276Sich bettelarm und fürstenreich.
9277Was war ich erst? was bin ich nun?
9278Was ist zu wollen? was zu thun?
9279Was hilft der Augen schärfster Blitz!
9280Er prallt zurück an deinem Sitz.
9281Von Osten kamen wir heran
9282Und um den Westen wars gethan;
9283Ein lang und breites Volksgewicht,
9284Der erste wußte vom letzten nicht.
9285Der erste fiel, der zweite stand,
9286Des dritten Lanze war zur Hand;
9287Ein jeder hundertfach gestärkt,
9288Erschlagne Tausend unbemerkt.
9289Wir drängten fort, wir stürmten fort,
9290Wir waren Herrn von Ort zu Ort;
9291Und wo ich herrisch heut befahl
9292Ein andrer morgen raubt’ und stahl.
9293Wir schauten, – eilig war die Schau;
9294Der griff die allerschönste Frau,
9295Der griff den Stier von festem Tritt,
9296Die Pferde mußten alle mit.
9297Ich aber liebte zu erspähn
9298Das Seltenste was man gesehn,
9299Und was ein andrer auch besaß,
9300Das war für mich gedörrtes Gras.
9301Den Schätzen war ich auf der Spur,
9302Den scharfen Blicken folgt ich nur,
9303In alle Taschen blickt ich ein,
9304Durchsichtig war mir jeder Schrein.
9305Und Haufen Goldes waren mein,
9306Am herrlichsten der Edelstein:
9307Nun der Smaragd allein verdient
9308Daß er an deinem Herzen grünt.
9309Nun schwanke zwischen Ohr und
Mund
9310Das Tropfeney aus Meeresgrund;
9311Rubinen werden gar verscheucht,
9312Das Wangenroth sie niederbleicht.
9313Und so den allergrößten Schatz
9314Versetz’ ich hier auf deinen Platz,
9315Zu deinen Füßen sey gebracht
9316Die Erndte mancher blut’gen Schlacht.
9317So viele Kisten schlepp’ ich her,
9318Der Eisenkisten hab’ ich mehr;
9319Erlaube mich auf deiner Bahn
9320Und Schatzgewölbe füll’ ich an.
9321Denn du bestiegest kaum den Thron,
9322So neigen schon, so beugen schon
9323Verstand und Reichthum und Gewalt
9324Sich vor der einzigen Gestalt.
∞Faust.
9333Entferne schnell die kühn erworbne Last,
9334Zwar nicht getadelt aber unbelohnt.
9335Schon ist Ihr alles eigen was die Burg
9336Im Schoos verbirgt, Besondres Ihr zu bieten
9337Ist unnütz. Geh und häufe Schatz auf Schatz
9338Geordnet an. Der ungeseh’nen Pracht
9339Erhabnes Bild stell’ auf! Laß die Gewölbe
9340Wie frische Himmel blinken, Paradiese
9341Von lebelosem Leben richte zu.
9342Voreilend ihren Tritten laß beblümt
9343An Teppich Teppiche sich wälzen, ihrem Tritt
9344Begegne sanfter Boden, ihrem Blick,
9345Nur göttliche nicht blendend, höchster Glanz.
∞Lynceus.
9346Schwach ist was der Herr befiehlt,
9347Thut’s der Diener, es ist gespielt;
9348Herrscht doch über Gut und Blut
9349Dieser Schönheit Uebermuth.
9350Schon das ganze Heer ist zahm
9351Alle Schwerter stumpf und
lahm,
9352Vor der herrlichen Gestalt
9353Selbst die Sonne matt und kalt,
9354Vor dem Reichthum des Gesichts
9355Alles leer und alles nichts.
∞(ab)
∞Helena.
∞(zu Faust)
9356Ich wünsche dich zu sprechen, doch herauf
9357An meine Seite komm! der leere Platz
9358Beruft den Herrn und sichert mir den meinen.
∞Faust
9359Erst knieend laß die treue Widmung dir
9360Gefallen, hohe Frau; die Hand die mich
9361An deine Seite hebt laß mich sie küssen.
9362Bestärke mich als Mitregenten deines
9363Gränzunbewußten Reichs, gewinne dir
9364Verehrer, Diener, Wächter all’ in Einem.
∞Helena.
9365Vielfache Wunder seh’ ich, hör’ ich an,
9366Erstaunen trifft mich, fragen möcht’ ich viel.
9367Doch wünscht’ ich Unterricht, warum die Rede
9368Des Mann’s mir seltsam klang, seltsam und freundlich.
9369Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,
9370Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt,
9371Ein andres kommt, dem ersten liebzukosen.
∞Faust.
9372Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker
9373O so gewiß entzückt auch der Gesang,
9374Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.
9375Doch ist am sichersten wir übens gleich,
9376Die Wechselrede lockt es, ruft’s hervor.
∞Faust.
9378Das ist gar leicht, es muß vom Herzen gehn.
9379Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt,
9380Man sieht sich um und fragt –
∞Chor.
9385Wer verdächt’ es unsrer Fürstin
9386Gönnet sie dem Herrn der Burg
9387Freundliches Erzeigen.
9388Denn gesteht, sämmtliche sind wir
9389Ja Gefangene, wie schon öfter,
9390Seit dem schmählichen Untergang
9391Ilios und der
ängstlich-
9392Labyrinthischen Kummerfahrt.
9393Fraun, gewöhnt an
Männerliebe,
9394Wählerinnen sind sie nicht,
9395Aber Kennerinnen.
9396Und wie goldlockigen Hirten,
9397Vielleicht schwarzborstigen Faunen,
9398Wie es bringt die Gelegenheit,
9399 Ueber die schwellenden Glieder
9400Vollertheilen sie gleiches Recht.
9401Nah und näher sitzen sie schon
9402Aneinander gelehnet,
9403Schulter an Schulter, Knie an Knie,
9404Hand in Hand wiegen sie sich
9405 Ueber des Throns
9406Aufgepolsterter Herrlichkeit.
9407Nicht versagt sich die Majestät
9408Heimlicher Freuden
9409Vor den Augen des Volkes
9410 Uebermüthiges Offenbarseyn.
∞Faust.
9413Ich athme kaum, mir zittert, stockt das Wort,
9414Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.
∞Faust.
9417Durchgrüble nicht das einzigste Geschick
9418Daseyn ist Pflicht und wärs ein Augenblick.
∞Phorkyas
∞(heftig eintretend)
9419Buchstabirt in Liebes-Fibeln,
9420Tändelnd grübelt nur am Liebeln,
9421Müßig liebelt fort im Grübeln,
9422Doch dazu ist keine Zeit.
9223Fühlt ihr nicht ein dumpfes Wettern?
9424Hört nur die Trompete schmettern,
9425Das Verderben ist nicht weit.
9426Menelas mit Volkes-Wogen
9427Kommt auf euch herangezogen;
9428Rüstet euch zu herbem Streit!
9429Von der Sieger-Schaar umwimmelt,
9430Wie Deiphobus verstümmelt
9431Büßest du das Fraun-Geleit.
9432Bammelt erst die leichte Waare,
9433Dieser gleich ist am Altare
9434Neugeschliffnes Beil bereit.
∞Faust.
9435Verwegne Störung! widerwärtig dringt sie ein,
9436Auch nicht in Gefahren mag ich sinnlos Ungestüm.
9437Den schönsten Boten Unglücksbotschaft häßlicht ihn;
9438Du Häßlichste gar nur schlimme Botschaft bringst du gern.
9439Doch dießmal soll dirs nicht gerathen, leeres Hauchs
9440Erschüttere du die Lüfte. Hier ist nicht Gefahr,
9441Und selbst Gefahr erschiene nur als eitles Dräun.
∞(Signale, Explosionen von den Thürmen, Trompeten und
Zinken, kriegerische Musik, Durchmarsch gewaltiger Heereskraft.)
∞Faust.
9442Nein gleich sollst du versammelt schauen
9443Der Helden ungetrennten Kreis:
9444Nur der verdient die Gunst der Frauen,
9445Der kräftigst sie zu schützen weis.
∞(Zu den Heerführern, die sich von den Colonnen absondern und
herantreten.)
9446Mit angehaltnem stillen Wüthen,
9447Das euch gewiß den Sieg verschafft,
9448Ihr Nordens jugendliche Blüthen,
9449Ihr Ostens blumenreiche Kraft.
9450In Stahl gehüllt, vom Strahl umwittert,
9451Die Schaar die Reich um Reich zerbrach,
9452Sie treten auf, die Erde schüttert,
9453Sie schreiten fort, es donnert nach.
9454An Pylos traten wir zu Lande,
9455Der alte Nestor ist nicht mehr,
9456Und alle kleine Königsbande
9457Zersprengt das ungebundne Heer.
9458Drängt ungesäumt von diesen Mauern
9459Jetzt Menelas dem Meer zurück;
9460Dort irren mag er, rauben, lauren,
9461Ihm war es Neigung und Geschick.
9462Herzoge soll ich euch begrüßen
9463Gebietet Sparta’s Königin,
9464Nun legt ihr Berg und Thal zu Füßen,
9465Und euer sey des Reichs Gewinn.
9466Germane du! Corinthus Buchten
9467Vertheidige mit Wall und Schutz,
9468Achaia dann mit hundert Schluchten,
9469Emphehl ich Gothe deinem Trutz.
9470Nach Elis ziehn der Franken Heere,
9471Messene sey der Sachsen Loos,
9472Normanne reinige die Meere
9473Und Argolis erschaff er groß.
9474Dann wird ein jeder häuslich wohnen,
9475Nach aussen richten Kraft und Blitz;
9476Doch Sparta soll euch überthronen
9477Der Königin verjährter Sitz.
9478All-Einzeln sieht sie euch genießen
9479Des Landes dem kein Wohl gebricht;
9480Ihr sucht getrost zu ihren Füßen
9481Bestätigung und Recht und Licht.
∞(Faust steigt herab, die Fürsten schließen einen Kreis
um ihn, Befehl und Anordnung näher zu vernehmen)
∞Chor.
9482Wer die Schönste für sich begehrt,
9483Tüchtig vor allen Dingen
9484Seh er nach Waffen weise sich um;
9485Schmeichelnd wohl gewann er sich
9486Was auf Erden das Höchste;
9487Aber ruhig besitzt er’s nicht:
9488Schleicher listig entschmeicheln sie ihm,
9489
Räuber kühnlich entreißen sie ihm,
9490Dieses zu hinderen sey er bedacht.
9491Unsern Fürsten lob’ ich drum,
9492Schätz’ ihn höher vor andern,
9493Wie er so tapfer klug sich verband
9494Daß die Starken gehorchend stehn
9495Jedes Winkes gewärtig.
9496Seinen Befehl vollziehn sie treu,
9497Jeder sich selbst zu eignem Nutz
9498Wie dem Herrscher zu lohnendem Dank,
9499Beiden zu höchlichem Ruhmes-Gewinn.
∞Faust.
9506Die Gaben, diesen hier verliehen –
9507An jeglichen ein reiches Land –
9508Sind groß und herrlich, laß sie ziehen!
9509Wir halten in der Mitte Stand.
9510Und sie beschützen um die Wette
9511Ringsum von Wellen angehüpft,
9512Nichtinsel dich, mit leichter Hügelkette
9513Europens letztem Bergast angeknüpft.
9514Das Land, vor aller Länder Sonnen
9515Sey ewig jedem Stamm beglückt,
9516Nun meiner Königin gewonnen,
9517Das früh an ihr hinauf geblickt.
9518Als, mit Eurotas Schilfgeflüster,
9519Sie leuchtend aus der Schaale brach,
9520Der hohen Mutter, dem Geschwister
9521Das Licht der Augen überstach.
9522Dieß Land, allein zu dir gekehret,
9523Entbietet seinen höchsten Flor;
9524Dem Erdkreis, der dir
angehöret,
9525Dein Vaterland o! zieh es vor.
9526Und duldet auch auf seiner Berge Rücken
9527Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil,
9528Läßt nun der Fels sich angegrünt erblicken,
9529Die Ziege nimmt genäschig kargen Theil.
9530Die Quelle springt, vereinigt stürzen Bäche,
9531Und schon sind Schluchten, Hänge, Matten grün,
9532Auf hundert Hügeln unterbrochner Fläche
9533Siehst Wollenheerden ausgebreitet ziehn.
9534Vertheilt, vorsichtig, abgemessen schreitet
9535Gehörntes Rind hinan zum gähen Rand,
9536Doch Obdach ist den sämmtlichen bereitet,
9537Zu hundert Höhlen wölbt sich Felsenwand.
9538Pan schützt sie dort und Lebensnymphen wohnen
9539In buschiger Klüfte feucht erfrischtem Raum,
9540Und, sehnsuchtsvoll nach höhern Regionen,
9541Erhebt sich zweighaft Baum gedrängt an Baum.
9542Alt-Wälder sind’s! Die Eiche starret mächtig
9543Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast;
9544Der Ahorn mild, von süßem Safte trächtig,
9545Steigt rein empor und spielt mit seiner Last.
9546Und mütterlich im stillen Schattenkreise
9547Quillt laue Milch bereit für Kind und Lamm;
9548Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise,
9549Und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamm.
9550Hier ist das Wohlbehagen erblich,
9551Die Wange heitert wie der Mund,
9552Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich:
9553Sie sind zufrieden und gesund.
9554Und so entwickelt sich am reinen Tage
9555Zu Vaterkraft das holde Kind.
9556Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage:
9557Ob’s Götter, ob es Menschen sind?
9558So war Apoll den Hirten zugestaltet
9559Daß ihm der schönsten einer glich;
9560Denn wo Natur im reinen Kreise waltet
9561Ergreifen alle Welten sich.
∞(Neben ihr sitzend)
9562So ist es mir, so ist es dir gelungen,
9563Vergangenheit sey hinter uns gethan;
9564O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen,
9565Der ersten Welt gehörst du einzig an.